Sportpsychologin Alexa Kiss von Sportpsychologie München im Interview mit Nina Himmer von der Apothekenumschau.
Sport hebt die Stimmung und entspannt. Das weiß jeder, der nach einer Runde Joggen lächelnd die Laufschuhe wegpackt. Doch woran liegt das eigentlich?
Selbst wenn die Muskeln schmerzen, die Atmung beschleunigt ist und das Herz pocht: Nach dem Sport fühlen wir uns oft besser als vorher. Ob eine Runde Laufen, Radeln oder im Fitnessstudio schwitzen – Stress und Ärger erscheinen danach meist wie weggeblasen, die Stimmung steigt und man ist ausgeglichener.
Dass Bewegung die Laune hebt, ist kein subjektives Gefühl. „Zahlreiche Studien belegen den stimmungsaufhellenden Effekt von Sport“, sagt die Sportpsychologin Alexa Kiss von Sportpsychologie München. Gerade für Ausdauersportarten gibt es verschiedene Untersuchungen dazu. Wie es zu diesem Effekt kommt, können Forscher bislang nicht eindeutig erklären.
Endorphin-Theorie umstritten
Die Endorphin-Theorie etwa hält sich hartnäckig, obwohl sie unter Sportmedizinern seit Jahrzehnten umstritten ist. Sie geht davon aus, dass bei Bewegung vermehrt Endorphine ausgeschüttet werden, die uns glücklich machen. Neuere Forschungen legen allerdings die Vermutung nahe, dass diese körpereigenen Morphine eher einen schmerzlindernden als einen stimmungsaufhellenden Effekt haben. Sie lassen uns Belastung also besser ertragen, wirken sich aber vermutlich nicht unbedingt auf die Stimmung aus.
Bewegung scheint jedoch auch andere Botenstoffe zu beeinflussen: Wer Sport treibt, kann zum Beispiel die Ausschüttung sogenannter Glückshormone anregen, zu denen die Botenstoffe Serotonin und Dopamin zählen. Beide sind für ihre stimmungshebende Wirkung bekannt.
Sport gegen Depressionen?
Vor allem die Ausschüttung von Serotonin lässt sich wohl durch Sport ankurbeln: Unter anderem wird durch die körperliche Aktivität die Verfügbarkeit der Aminosäure Tryptophan erhöht. Aus dieser bildet der Körper Serotonin. Dieser biochemische Vorgang trägt vermutlich – neben weiteren Faktoren – dazu bei, dass regelmäßiges Training laut Studienergebnissen auch einer Depression vorbeugen oder sie lindern kann. „Sport hat durchaus therapeutische Wirkung“, sagt Kiss.
Verstärkt wird der positive Effekt von Sport vermutlich durch den Einfluss von Bewegung auf Stresshormone. Regelmäßiges Training kurbelt nämlich wohl nicht nur die Ausschüttung von Glückshormonen an, sondern drosselt auch jene von Stresshormonen wie Kortisol. In gewisser Hinsicht kann man Stress also einfach davonlaufen. Wer vor wichtigen Prüfungen, Vorträgen oder Aufgaben – also sozialen Stresssituationen – auf dem Laufband war, geht die Herausforderung mit geringerem Stresslevel an.
Weniger gut erforscht, aber offenbar beteiligt am Wohlfühl-Effekt durch Sport, sind die sogenannten Endocannabinoide. Das sind körpereigene Substanzen, die den Körper wohl ähnlich wie manche Drogen in eine Art Rauschzustand versetzen können. Sport führt vermutlich zu einer vermehrten Ausschüttung und damit zu einer Steigerung des Wohlbefindens.
Durch Sport auf andere Gedanken kommen
Neben diesen biochemischen Prozessen spielen weitere Faktoren eine Rolle. So kann Bewegung uns beispielsweise ablenken: „Sport hilft im wahrsten Sinne des Wortes, den Kopf freizubekommen“, erklärt Sportpsychologin Alexa Kiss. Wenn das Gehirn vollständig auf die Bewegung konzentriert ist, bleibt für andere Gedanken kein Platz mehr.
Aktivitäten wie Joggen, bei denen manche vor sich hinlaufen und gedanklich abschweifen, eignen sich dazu nur bedingt. Sportarten hingegen, die viel Konzentration erfordern, sind ideal. Klettern zum Beispiel. „Wer an der Wand hängt und sich Gedanken um den nächsten Kletterzug machen muss, kann nicht gleichzeitig über Ärger im Büro, Stress mit dem Partner oder die anstehende Präsentation nachgrübeln“, sagt Kiss. So können gestresste Menschen abschalten. Aggressionen, Ängste und Ärger werden abgebaut.
Zufriedener durch Sport?
Auch das Erleben von Selbstwirksamkeit wird wohl durch Sport gefördert und ist eng mit dem Selbstbewusstsein verknüpft. Wer sich regelmäßig aufrafft, Sport treibt und dabei Ziele erreicht, ist vielleicht auch insgesamt zufriedener. „Ein Tor zu schießen, neue Bewegungen zu erlernen oder Herausforderungen zu meistern – das macht uns stark und selbstbewusst“, sagt Kiss.
Dass sich Sport – zumindest gefühlt – positiv auf Gemüt und Gesundheit auswirken kann, gibt eine Forsa-Umfrage wieder: Laut dieser beschreiben acht von zehn deutschen Freizeitsportlern ihren Gesundheitszustand als gut bis sehr gut, unter den Sportmuffeln sagt dies nur jeder Zweite. Und: Der Anteil jener, die unter Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen leiden ist laut dieser Umfrage unter Nichtsportlern doppelt so hoch wie unter Sportlern.
30 bis 40 Minuten Training reichen schon
Grundsätzlich gibt es also wohl verschiedene Effekte von Sport, die die Stimmung positiv beeinflussen können. Dazu gehören Stressabbau und diverse biochemische Prozesse, die dazu führen, dass wir uns besser fühlen. „Dafür reichen schon 30 bis 40 Minuten moderates Training im aeroben Bereich – also so, dass man sich nebenbei noch problemlos unterhalten kann“, sagt Kiss.
Daneben gibt es weitere Effekte, die sich auf unser Wohlbefinden auswirken können: Ein trainierteres Herz-Kreislauf-System und eine bessere Schlafqualität beispielsweise. Wer sich mehr bewegt oder sogar Sport treibt, tut also etwas für seine Gesundheit – ein guter Grund, aktiv zu werden.
Von Nina Himmer